Derzeit erleben wir Kolleg*innen, Vorgesetzte, Expert*innen und Politiker*innen vor allem auf dem Bildschirm. Per Zoom, Teams oder eben im klassischen TV bzw. im Live-Stream auf dem mobilen Gerät. Wie aber können Redner und Rednerinnen diese Auftritte via Bildschirm wirksam gestalten?
Diese Frage hat mich zusammen mit vier anderen Trainer*innen aus dem Bundesverband für Medientraining interessiert. Und wir haben das getan, was derzeit besonders naheliegt: Wie haben Wissenschaftler ins Boot geholt, um valide Antworten zu bekommen. Zusammen mit Prof. Hans-Bernd Brosius von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben wir zunächst einen Fragenkatalog für die Untersuchung erstellt. Die LMU hat daraufhin in einer Meta-Studie wichtige Bausteine für Stimme und Körpersprache ermittelt, die auf die Aspekte „Kompetenz“ und „Sympathie“ einzahlen.
Das Besondere an dieser Meta-Studie: Es wurde mit 87 Studien eine besonders große Zahl vorliegender Untersuchungen ausgewertet: Wo stimmen Ergebnisse überein? Wo sind echte Zusammenhänge? Welche Erkenntnisse sind wirklich valide und übertragbar?
Hier einige der Ergebnisse:
Mit hoher Evidenz (mehr als 70% der Studien belegen dies) zeigt die Meta-Studie, dass viel Blickkontakt und ein aufrechter zum Publikum gewandter Körper die wahrgenommene Kompetenz erhöhen. Achtung: Blickkontakt erfolgt im digitalen Raum ausschließlich über die Webcam, nicht über den Blick auf den Bildschirm, wo eventuell die Zuhörenden zu sehen sind!
Eine gute Evidenz (mehr als 50% der Studien belegen dies) lässt sich bei den folgenden Faktoren nachweisen:
1. Zeigen Sie sich zugewandt und offen, beispielsweise in dem Sie sich nach vorne beugen, nach vorne gestikulieren oder offene Handflächen zeigen (z.B. anstelle des ausgestreckten Zeigefingers).
2. Richten Sie sich gut auf, mit der Idee, den Raum zu füllen. Das ist im Sitzen gar nicht so einfach!
3. Kompetent wirkt auch, wer die Lippenpartie und die Augenbrauen entspannt. Ein Lächeln unterstreicht die wahrgenommene Kompetenz. Vermeiden sollten Sie dagegen das Berühren der Nase, des Kopfes, Kratzen oder andere unruhige Bewegungen.
Diese Ergebnisse werden Auftritte vor der Kamera nicht revolutionieren. Sie stellen aber das, was viele Trainer*innen bisher „aus dem Bauch heraus“ vermittelt haben, auf ein wissensbasiertes Fundament. Das ist das wirklich herausragende Verdienst der von uns initiierten Studie!
Bei den untersuchten Bausteinen für Stimme und Sprechweise zeigt die Meta-Studie, dass vollständige Sätze, die mit möglichst tiefer, klarer Stimme gesprochen werden, ebenfalls die Wahrnehmung der Kompetenz erhöhen. Dies wird durch lebendiges, flüssiges Sprechen noch verstärkt – wahrscheinlich entsteht dadurch der Eindruck, der Sprechende habe nichts zu verbergen und „filtere“ seine Aussagen nicht.
Das mit der tiefen Stimme ist natürlich so eine Sache: Wer ist schon von Natur aus damit ausgestattet? Frauen ja überwiegend sowieso nicht. Trotzdem ist dieses Ergebnis ein klarer Hinweis darauf, dass auch Sprechende mit helleren, höheren Stimmen ihr Potential nach unten ausschöpfen sollten. Sie können zum Beispiel am Satzende die Stimme entschlossen senken. Phonetiker nennen das den „finalen Fall“. Und der kann gar nicht tief genug sein!
Auch bei der Wahrnehmung von Sympathie gab es eine hohe Evidenz: Hier wirkt es sich sehr positiv aus, wenn sich Sprechende mit angesehenen Akteuren wie Unternehmern, Familienmitgliedern oder einem begeisterten Publikum zeigen. Unterstützend eingesetzt werden können zudem Symbole, die auf übereinstimmende Werte und Ansichten des Sprechenden und des Publikums hindeuten. Je nach Publikum kann das beispielsweise ein Anstecker in Form eines Firmenlogos oder eines Kampagnenmottos sein. Diese Erkenntnis zu Inszenierung ist im US-amerikanischen Wahlkampf bereits umgesetzt. Es wird interessant sein zu beobachten, wie deutsche Politiker*innen im anstehenden Wahlkampf damit umgehen.
Fazit: Wer via Bildschirm kompetent und sympathisch wirken möchte, zeigt sich mit angesehenen anderen Akteuren, verwendet Symbole, wendet Augen und Körper dem Publikum (oder der Webcam) zu, nutzt offene Gesten und spricht dynamisch, aber nicht zu schnell.
Ergänzende Informationen zum Studien-Design:
Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2020 hat die LMU (Leitung des Projekts: Prof. Hans-Bernd Brosius) 485 Studien aus den Disziplinen Kommunikationswissenschaft, Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften gesichtet, welche die Wahrnehmung von Kompetenz und Sympathie (affektive Ziele) mittels Inszenierung, vokaler (paraverbaler) und nonverbaler Kommunikation von Personen in öffentlichen Auftritten untersucht haben. Davon waren 87 Studien relevant, an jeder einzelnen Studie nahmen im Schnitt 200 Probanden teil.
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