Guter Auftritt – Kleine Schwächen

Annalena Baerbock in den Tagesthemen

Glaubt man den internationalen Beobachtern, Politikern und Geheimdiensten, so könnte noch diese Woche in Europa ein Krieg ausbrechen. Ganz schön mutig von der Bundesaußenministerin, in dieser Zeit ein Tagesthemen-Interview zu geben. Baerbock im ARD-Studio in Berlin, der Moderator Helge Fuhst in Hamburg.

Ganz schön mutig – und gut gelungen!

1. Zunächst mal das Formale: Die Ministerin schafft in allen Antworten die erwünschte Kürze von etwa 30 Sekunden.

2. Sie hält zu 100 Prozent den Blickkontakt mit der Kamera und somit zum Publikum. Auch dadurch wirkt sie ruhig und konzentriert.

3. Am Ende eines Gedankens geht die Stimme entschlossen runter, auf den hörbaren Punkt. Akustisches Signal: Ich meine es ernst! Das war der Grünen-Politikerin im Wahlkampf nicht immer gelungen, auch in den Koalitionsverhandlungen nicht. Da hing so manche Botschaft stimmlich auf halber Höhe.

4. Ihr Sprechtempo hat Baerbock in diesem Interview gut im Griff. Im Wahlkampf ging es oft etwas zu rasant von Satz zu Satz. Da Frauen ohnehin schneller klingen als sie tatsächlich sprechen, ist es wertvoll, hier etwas zu drosseln.

5. Baerbocks Botschaften sind inhaltlich klar: Sie betont einerseits die gemeinsamen Interessen des Westens. Sie spricht aber auch gemeinsame Lösungen mit Russland an, die es zu besprechen gälte. „Gemeinsam“ – das Wort kommt im Interview in jeder Antwort mehrfach vor.

Was die Bundesaußenministerin noch verbessern könnte, lässt sich ebenfalls in fünf Punkten festhalten.

1. Fangen wir hinten an: Der Moderator bedankt sich für das Interview. Baerbock antwortet mit „Danke ebenso. Alles Gute!“ Ein „Gern geschehen!“ wäre souveräner gewesen. Der oder die Befragte sollte sich nicht für die Fragen bedanken.

2. Manche von Baerbocks Antworten fangen mitten im Satz an, z.B. mit einem Dass-Satz. Auf einer hitzigen Podiumsdiskussion kommt das sicher mal vor, aber in dieser kontrollierten Umgebung darf die Ministerin gern in ganzen Sätzen antworten. Auch das wäre ein weiteres Signal für Souveränität.

3. Das Füllwort „ebend“. Ja, genau, hinten mit einem d. Das mag einen regionalen Ursprung haben, ich selbst kenne es tatsächlich aus meiner Schulzeit. Für eine Bundesaußenministerin allerdings finde ich es ungeeignet. Es klingt in meinen Ohren zu „schülerinnen-haft“.

4. Etwas zu umgangssprachlich wirkt auch die Formulierung, eine Eskalation in der Ukraine könne „wahnsinnig große Folgen und Konsequenzen“ haben. Was sind „wahnsinnig große Folgen“? Und wenn es schon Folgen hat, braucht es dann noch die Konsequenzen? Ich denke nicht. Kürzer ist besser, weil stärker.

5. Bei aller Kontrolle und Konzentration: Eine etwas lebendigere Mimik würde Annalena Baerbock guttun. Das ist nicht einfach, im Dialog mit einer schwarzen Linse. Und dennoch: Sie muss ja nicht in punkto Pokerface mit Putin konkurrieren.   

Jeder einzelne dieser fünf Punkte ist vielleicht nicht der Rede wert. In Summe aber, davon bin ich überzeugt, könnte Baerbock auf diese Weise noch deutlich mehr Kompetenzsignale senden.