Zum Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel
Liebe Frau Spiegel,
wie man ein Krisenstatement versemmelt, das haben wir schon bei Carl Theodor zu Guttenberg gesehen: Vor den Kameras der Nation live ein Statement abgeben – und mittendrin fragen, ob man nochmal anfangen kann. Das sei doch nicht live, oder…? So der plagiats-verdächtige Ex-Minister. Aber fangen wir bei Ihnen vorne an.
Sie berichten sichtlich bewegt und mitunter stockend von einer privat schwierigen Zeit. Ihr Mann erleidet 2019 einen Schlaganfall, ist seitdem weniger belastbar. Ihre vier Kinder kommen schlecht durch die Corona-Zeit. Die vier Wochen Frankreich-Urlaub kurz nach der Flutkatastrophe hätten Sie gebraucht, als Familie. Sie erzählen dies – so sieht es jedenfalls aus – frei, ohne Stichpunkte, Gottseidank ohne Teleprompter. Respekt dafür.
Sie schildern das der Öffentlichkeit allerdings in einer Ausführlichkeit, in der die Rechtfertigung deutlich mitschwingt. Mit Details und Wiederholungen, die wie Hilferufe klingen. Sechs Minuten und 45 Sekunden vor zwei Kameras können sehr lang werden.
Da bleibt vielleicht auch die Logik auf der Strecke: Denn Sie berichten fast in einem Atemzug von den Belastungen der Familie UND von Ihrem eigenen beruflichen Aufstieg. Sinngemäß: Meiner Familie geht es schlecht, und ich leite nun neben dem Familienministerium in Rheinland-Pfalz auch noch kommissarisch das Umweltministerium UND gehe als Spitzenkandidatin der Grünen ins Rennen. Irgendwie will das in meinen Kopf nicht hinein. Es passt nicht zusammen. Und Sie erzählen es wie selbstverständlich, als wären es zwei verschiedene Personen, die da handelten und entschieden.
Die Kritik dieser Tage ist eindeutig: Der vierwöchige Familienurlaub im Sommer 2021 mag menschlich verständlich gewesen sein, politisch jedoch war er instinktlos. Daran ändert auch nichts, dass Sie in Ihrem Krisenstatement mehrfach beteuern, telefonisch erreichbar gewesen zu sein.
Hinzu kommt, dass Sie zunächst sagen, Sie hätten in diesem Urlaub digital an einer Kabinetts-Sitzung teilgenommen. Diese Aussage stellt sich später als nicht haltbar heraus. Auch das wirkt komisch: Dass Sie über einem Urlaub mit vier kleinen Kindern, der noch kein Jahr her ist, nicht mehr wissen, ob Sie an einer Kabinetts-Sitzung digital teilgenommen haben oder nicht. „Es war zu viel“ haben Sie über die Belastungen von Familie und diversen Ämtern gesagt. „Es ist genug“ sagt nun die Führung Ihrer eigenen Partei.
Von zu Guttenberg lernen hieße übrigens, auch den Abgang nach einem solchen Statement zu planen. Nach 6 Minuten 30 Sekunden reißt Ihre Rede ab. Sie wenden sich nach links, Hilfe suchend, und erkennen zu Recht: „Jetzt muss ich’s noch irgendwie abbinden…“. Stimmt! Und übrigens: Es war live. Und Sie können mit dem Statement nicht nochmal von vorn anfangen.
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