Habeck wortkarg

Corona noch nicht überwunden, Ukraine-Krieg in heißer Phase, Inflation, Energiepreis-Explosion, wirtschaftliche Rezession: Jede einzelne dieser Krisen würde eine Bundesregierung schon herausfordern. In der aktuellen Mischung und Dramatik der Ereignisse sind die handelnden Minister:innen in besonderer Weise als Politikmacher und -erklärer gefragt. Und ich finde es wirklich respektabel, wieviel und wie intensiv in den vergangenen Monaten kommuniziert und politisches Handeln auf allen Kanälen erklärt wurde: Lindner im Bericht aus Berlin, Steinmeier im Heute Journal, Baerbock bei Karoline Kebekus und Robert Habeck zum wiederholten Male in den Tagesthemen (Sendung vom 12. Oktober 2022).

Das Interview mit Bundeswirtschaftsminister Habeck war satte 8 Minuten und 26 Sekunden lang. Für Diskussionen sorgten dabei etwa 20 Sekunden aus dem Mittelteil. Ein Moment, der auf vielfache Weise interpretiert werden kann – und auch wurde. Hier der Wortlaut:

Zamperoni: Nun sind die Zeiten so ernst, wie Sie sagen. Da bräuchte es eine Bundesregierung, die an einem Strang zieht – bei all den Paketen und Maßnahmen, die Sie jetzt noch umsetzen wollen. Stattdessen streiten Sie sich seit Wochen mit der FDP um die AKW-Laufzeiten. Und das Hickhack geht ja immer noch weiter…

Habeck: (schweigt zunächst) Ja. Was ist die Frage?

Zamperoni: Die Frage ist, wollen Sie das nicht beilegen, dieses Hickhack?

Habeck: Selbstverständlich.

Zamperoni: Und was machen Sie, um das zu tun?

Habeck: Reden.

Zamperoni: Mit dem Kanzler und mit Herrn Lindner?

Habeck: Alle reden miteinander. Und ein Strang besteht in der Regel aus verschiedenen Untersträngen, die zusammenfinden müssen, die zusammen geflochten werden, wenn das das richtige Wort ist, wenn Stränge geflochten werden. Und das gibt dann dem Strang Stabilität. Und da flechten wir gerade.

Für Habeck ganz ungewohnt: Statt linguistisches Florett diesmal kommunikatives Geflecht. Oder anders gesagt: Habeck auf einmal wortkarg, an der Grenze zu unfreundlich und schnippisch.

War er genervt? Wollte er den Moderator auflaufen lassen? Einen „viralen Moment“ provozieren? Ein erfahrener Interviewgeber wie Robert Habeck hat das eigentlich nicht nötig. Im Gegenteil: Zur besten Sendezeit in einem Nachrichten-Magazin für politisch Interessierte ist es eine vertane Chance. Der Flechtkurs – ein schiefes Bild. Mehrmals betont Habeck, die Bundesregierung sei „nicht untätig“. Auch das: eine misslungene Formulierung.

Bei dem Arbeitspensum, das er in seinem Amt absolviert, hoffe ich auf eine einfache Erklärung: Müdigkeit. Alles andere wäre unprofessionell und unnötig. Für alle ausgeruhten Gesprächspartner:innen: Jede Frage ist eine Chance auf gute Kommunikation. Auf Kommunikation in mehreren, sinnvollen Sätzen. Ganz egal, ob in den Tagesthemen oder in der örtlichen Zeitung.