Drosten als guter „Übersetzer“

Ich liege mit Corona im Bett. Die schlimmsten Tage sind vorbei, lesen geht schon wieder. Ich greife zur aktuellen Ausgabe der ZEIT – und sehe Christian Drosten im Interview. Der Virologe von der Berliner Charité skizziert darin das Ende der Corona-Pandemie. Titel „Die Lage für das Virus wird prekär.“ Schade, denke ich, dass es mich so kurz vor dem Prekariat noch erwischt hat… Aber irgendwie habe ich Lust, das zu lesen – und werde belohnt.

Über Christian Drostens Stärken in der Kommunikation ist ja bereits viel gesagt und geschrieben worden. Ihm als Virologen gelingt es wirklich gut, seine wissenschaftlichen Themen für Jedermann und Jederfrau zu übersetzen. Im ZEIT-Interview fallen mir drei Stärken besonders auf:

1. Fachbegriffe gut vermittelt

BF.7, BQ.1.1, BA.1, BA.2, BA.2.75 – okay, ein bisschen flimmert es mir schon vor den Augen, wenn diese Omikron-Varianten allzu sehr strapaziert werden. Und für die mündliche Kommunikation würde ich hier auch entschieden abraten, alle aufzuführen.

Aber ansonsten ist Drosten auch nach drei Jahren mit Corona wie selbstverständlich bereit, den R-Wert zu erklären (gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt), den Begriff „waning“ einzuführen (Menschen, die im Sommer Corona hatten, sind im Winter schon wieder empfänglicher für neue Viren) und uns das Präventionsparadox vorzustellen (gerade weil auf Basis von Warnungen gehandelt wurde, passierte am Ende weniger als zunächst vorhergesagt). Danke, denkt die Leserin – und vermutlich nicht nur die mit dem dicken Corona-Schädel.

2. Korrigieren ohne zu düpieren

An drei Stellen muss Drosten Fakten in der Frage zu Beginn seiner Antworten korrigieren. Die „schnell angestiegene“ Herbstwelle kontert Drosten mit: „So schnell war das gar nicht. Die Verdoppelung der Inzidenz betrug 14 Tage. (…).“

Die Frage, ob wir mit den aktuellen Impfungen auch Sars-CoV-3, also eine künftige Corona-Variante, in Schach halten können, sagt er: „Sars-CoV-3 wird es eh nicht geben. Gegen die Sars-Spezies ist die Menschheit jetzt immun. (…).“

Und auch die Kritik an den langen Schulschließungen in Deutschland weist er mit Fakten zurück. Im OECD-Durchschnitt läge Deutschland hier nur im Mittelfeld, „lange Schließungen“ seien somit eine Legende. Hier spricht ein faktenorientierter, gut informierter Interviewgast – und zwar auf Augenhöhe, nicht von oben herab.

3. Bildhafte Sprache genutzt

Das Virus ist für Drosten ein sehr konkreter Angreifer, dem derzeit nur noch wenige Überlebenswege offenstehen. Dessen Lage „prekär“ wird. Der Grundgedanke seiner anschaulichen Ausführungen: Wohin kann das Virus sich noch ausbreiten, welche Möglichkeiten sind schon erschöpft? Er kennt diesen Angreifer inzwischen sehr gut, und wer ihm (Drosten?) zuhört, lernt ihn ebenfalls gut kennen.

Im aktuellen Interview spricht der Berliner Virologe von der gemeinsamen Forschung mit russischen Wissenschaftler:innen. Man habe anhand von gemeinsamen Proben aus Wildtieren ein gutes Radar für Infektionskrankheiten in Russland gehabt. „Dieser Teil des Bildschirms ist jetzt dunkel. Und diese Art der Pandemievorsorge wird jetzt sicherlich auch mit China schwieriger“, befürchtet er. Es werde zu viel in die Forschung an wissenschaftlichen Einrichtungen investiert, zu wenig an Universitätskliniken, die den direkten Draht zum Patienten haben. „Wir brauchen mehr bettennahe Forschung“, fordert Drosten. Okay, guter Punkt. Darüber denke ich mal nach, wenn ich mich jetzt wieder umdrehe und noch ein bisschen ausruhe.