Neuer Minister – neue Töne

Karsten Wildberger – erster Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung

Hat er das wirklich gesagt???

„Hallo, ich bin Karsten Wildberger, 55 Jahre alt – und ich bin der Neue!“ Fröhliches Winken in die Kamera. Auf der Digitalmesse re:publica. Dort stellt sich Wildberger live den Fragen von Besucher*innen und Gästen vor einer Kamera der ARD.

55 Jahre alt? Ich bin der Neue? Das sind auf jeden Fall mal neue Töne aus einem Bundesministerium. Das klingt so gar nicht nach „20 Jahre Berliner Blase“, mit dem Weichspüler der politischen Kommunikation gegurgelt und als Phrasendrescher vor die Kameras getreten. Es klingt, tja, frisch. Positiv. Unerfahren? Naiv?

Weit gefehlt. Wildberger weiß dieses Interview sehr gezielt zu nutzen. Fünf Dinge, die der Polit-Neuling gut macht:

Er steuert dahin, wo er inhaltlich hin möchte.

Er strukturiert seine Antwort gut („Drei Dinge, die wir angehen werden“)

Er nutzt strukturierende Fragen („Was wollen wir anpacken?“ „Was ist noch wichtig?“)

Er spricht Klartext, gemischt mit etwas Manager-Sprech und Denglisch, das aber nicht groß stört.

Vor allem aber:
Er springt nicht über jedes Stöckchen, das ihm in Form von Fragen hingehalten wird.

Beispiel 1

Frage: Was tun Sie mehr als bisher, um Start-ups zu fördern und die Finanzierung zu
erleichtern?

Antwort Wildberger:
Wir haben verschiedene Zuständigkeiten in der Regierung, aber keine Sorge, dass es jetzt zu komplex wird. Die Frage der Finanzierung (…) ist etwas, das sich diese Regierung auf die Fahnen geschrieben hat und das wir auch angehen werden. Aber wir haben noch andere Fragen (…) Und dann brauchen wir noch eine Sache, die ist super wichtig: Wir brauchen ein ganz anderes Narrativ hier im Land! Wir haben so viele tolle, junge Menschen mit einer Top-Ausbildung und die Frage muss doch sein, wie kriegen wir noch mehr junge Menschen dazu, es einfach mal zu versuchen, zu machen? (…)

Hier kann Wildberger offenbar zu Finanzierung noch nichts Konkretes sagen. Er steuert also um zu einer Botschaft, die ihm wichtig ist: Digitalisierung aus deutscher Hand, aus deutschen Start-ups und Unternehmen.

Beispiel 2
Frage: Haben Sie bei Facebook/META widersprochen, dass sie mit Ihren Daten KI-Modelle trainieren dürfen?

Antwort Wildberger: Also grundsätzlich ist mir eins wichtig: Ich wünsche mir, dass wir die Diskussion endlich mal führen, wo bauen wir diese Modelle in Europa und trainieren sie mit unseren Daten, mit unserem Wertesystem. Das ist die allerwichtigste Frage, glaube ich, die wir beantworten müssen. (…) Zur Souveränität gehört eben auch, wenn ich bestimmte Plattformen und wie die agieren nicht möchte, dann lassen Sie uns gemeinsam versuchen, so etwas in Europa hochzuziehen. Und dafür werde ich mich auch einsetzen.

Hier verrät er nichts Persönliches, und das muss er auch nicht. Dafür setzt er im richtigen Kontext eine ihm wichtige Botschaft.

Ein gelungenes Interview über fast 18 Minuten. Auf jede Frage eine Antwort, wenn auch nicht immer brav entlang der Frage. Sympathisch-souverän. Mal sehen und hören, wie das klingt, wenn Wildberger länger im Amt ist.